Im Jahre 66 v. Chr. fand vor dem Gerichtshof De ueneficiis ein
spektakulärer Giftmordprozeß statt, der einen früheren Prozeßmarathon
dieser Art mit umgekehrten Vorzeichen fortsetzte: A. Cluentius Habitus
aus Larinum hatte acht Jahre zuvor seinen Stiefvater Oppianicus des
Versuchs bezichtigt, ihn mit Gift zu ermorden, und in drei Prozessen die
Verurteilung von Oppianicus und dessen Handlangern Scamander und
Fabricius erreicht; Cicero hatte damals Scamander erfolglos vor Gericht
vertreten. Politisch brisant wurde der Prozeß von 74 v. Chr., weil der
Volkstribun L. Quinctius kurz darauf das Urteil dazu nutzte, die
sullanische Gerichtsordnung anzugreifen, indem er die senatorischen
Geschworenen und den Vorsitzenden des Gerichtshofes beschuldigte, von
Cluentius bestochen worden zu sein. Diese delikate Vorgeschichte mußte
Cicero berücksichtigen, als er 66 v. Chr. Cluentius gegen den Vorwurf
verteidigte, seinerseits seinen Stiefvater Oppianicus durch Gift
ermordet zu haben.
Im Verlauf des Semesters wollen wir die Rede, die schon früh im
Rhetorikunterricht als Muster herangezogen wurde, gemeinsam lesen und
zentrale Passagen gründlich interpretieren. Dabei sollen neben Ciceros
Prozeßtaktik und seiner sprachlichen Gestaltung auch Fragen der
Rezeption, Textkritik und Überlieferungsgeschichte beleuchtet werden.
- Dozent*in: Thomas Riesenweber