30 Jahre liegen die pogromartigen Ausschreitungen in Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen und die Brandanschläge auf Häuser türkeistämmiger Familien in Mölln und Solingen mittlerweile zurück. Über diese oft genannten Beispiele geht die Geschichte rassistischer Diskriminierung und Gewalt nach der Vereinigung aber weit hinaus: In den „Baseballschlägerjahren“ waren Übergriffe auf Migrant*innen an der Tagesordnung – vor allem in Ostdeutschland, aber auch im Westen der Republik. Wie lassen sich die komplexen Ursachen, aber auch die Auswirkungen dieser Gewaltwelle beschreiben? Wie ging die Politik mit der rassistischen Gewalt um, wie wurde sie geahndet? Wie wurde gesamtgesellschaftlich, aber auch vor Ort und von den Betroffenen selbst über Rassismus im vereinigten Deutschland gesprochen? Welche Formen des Gedenkens entstanden an den Tatorten?

Rassistische Gewalt im vereinigten Deutschland wurde bislang vor allem sozialwissenschaftlich untersucht und publizistisch aufgearbeitet, geschichtswissenschaftlich aber noch kaum behandelt. Im Seminar wollen wir gemeinsam an einer genuin zeithistorischen Forschungsperspektive auf das Thema arbeiten. Ein Schwerpunkt liegt auf der lokalhistorischen Annäherung an den Brandanschlag in Solingen am 29. Mai 1993. 

Literatur

Geulen, Christian: Geschichte des Rassismus, München 32017.

Lierke, Lydia/Massimo Perinelli (Hg.): Erinnern stören. Der Mauerfall aus migrantischer und jüdischer Perspektive, Berlin 2020.

Wowtscherk, Christoph: Was wird, wenn die Zeitbombe hochgeht? Eine sozialgeschichtliche Analyse der fremdenfeindlichen Ausschreitungen in Hoyerswerda im September 1991, Göttingen 2014.